Das Badewesen im Europa des Mittelalters

Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluß der Kreuzfahrer (1096-1270) auf das europäische Badewesen. Die streitbaren Herren, die nicht nur aus dem Adelsstand stammten, sondern auch aus der einfachen  bäuerlichen Gesellschaft hervorkamen, hatten auf ihren Kreuzzügen durch das Morgenland hochentwickelte und für ihre Begriffe unvorstellbar luxuriöse Bäder kennen gelernt. Sie schätzten den Wert des Badens und wollten dieser liebgewordenen Gewohnheit auch in der Heimat treu bleiben. Durch die Kreuzzüge wurden nicht nur fremde Kulturen in das Abendland gebracht, sondern auch die Lepra. Diese Krankheit gab es zwar schon früher in Europa, aber jetzt begann sie sich epidemieartig auszubreiten. Schwitzbäder galten seit alters her als wirksames Mittel um die Abwehr des Körpers zu stärken und somit auch eine Maßnahme gegen Ansteckung. Es waren vor allem Kaufleute, die von ihren Reisen das beliebte Schwitzbad mitbrachten. In den nordischen Ländern, in Norddeutschland und in den Hansestätten gewann das Schwitzbad schnell an Boden.

Werfen wir einen Blick über die Alpen. Während im Mittelmeerraum die Tradition des Altertums noch allgegenwärtig war, kümmerte man sich nördlich der Alpen wenig um die Errungenschaft luxuriöser  Badekultur. Vielmehr badeten die Germanen und die Gallier im eiskalten Wasser. Das Warmbad setzte sich erst ganz allmählich durch und erfreute sich wachsender Beliebtheit. Bereits zu Beginn des 6.Jhs. wurde in einem bayrischen  Gesetzbuch ein "balnearus" (Bademeister) erwähnt. Die frühen Bäder waren Holzhütten, in denen Zuber aufgestellt wurden. In den öffentlichen Bädern gab es bis in die Neuzeit weder Wasserleitungen noch Wasserhähne. Das  Wasser wurde auf dem Ofen erwärmt und mit Keramikgefäßen in die Holzbottiche geschöpft oder erhitzte Steine wurden in die mit kaltem Wasser gefüllten Wannen gelegt. Der Eroberungszug des "Warmbadens" ließ sich nicht  mehr aufhalten. In jeder Stadt gab es schließlich mehrere "öffentliche Bäder". In Mainz gab es im 14. Jh. bereits vier Einrichtungen. Würzburg beherbergte im 15. Jh. bereits acht Badeanstalten und Ulm 11, Nürnberg 12, Paris zählte um 1292 bereits 26 Bäder. Diese "ehrenwerten Badestuben" waren städtisch konzessioniert. Zum Betreiben einer solchen Badestube mußten behördliche Genehmigungen eingeholt werden. Der "Bader"  mußte an die Stadt Pacht und Steuern zahlen. Die Bader schlossen sich zu Zünften zusammen und 1406 wurde das Badegewerbe den anderen Zünften gleichgestellt.

Die Einrichtungen der öffentlichen Badeanstalten haben sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Dabei war immer die soziale Stellung des Besitzers und seiner Kunden maßgebend. Eines hatten diese Schwitzbäder gemeinsam - sie besaßen alle einen großen Kachelofen. Seltener waren diese Öfen aus Eisen oder Kupfer. Die Öfen wurden mit Holz geheizt. Sie erwärmten den eigentlichen Schwitzraum und sorgten gleichzeitig für Nachschub an heißem Wasser. In einem Nebenraum wurde in Kupferkesseln Wasser erhitzt, mit kaltem Wasser gemischt, welches dann zum Übergießen und Baden genutzt wurde. Diese umständliche Methode war notwendig, da es in den Badestuben keine Rohrleitungen gab. Auf dem Badeofen lagen Kieselsteine. Durch Begießen mit kaltem Wasser wurde dann der zum Schwitzen benötigte heiße Dampf erzeugt. Der Baderaum war sehr klein. Durch die winzigen Fenster drang auch nur sehr wenig Licht ein. Die Ausstattung bestand neben Wannen aus Kupfer oder Messing noch aus einem kreisförmigen hölzernen Badezuber - Bütt oder Kufe genannt - und ringsherum terrassenförmig aufgestellten Bänken.  Größere Badestuben konnten durchaus mit Badeanstalten verglichen werden. Neben einem Auskleideraum gab es noch eine Vorstube, in der sich der Gast von dem "Bader" rasieren lassen konnte. Haarschneiden, Übergießen und Schröpfen waren auch im "Angebot" enthalten. Für die vornehmeren Gäste gab es noch einen Ruheraum mit einem Bett. Die Ärzte empfahlen nach stundenlangem Bad eine Zeit zur Erholung. Hinzu kamen noch Räumlichkeiten für  das Personal. Jedes größere Bad besaß auch eine gastronomische Einrichtung, in der der Gast zwischenzeitlich ein Mahl einnehmen konnte. Keinesfalls soll der Eindruck entstehen, daß die Badeanstalten des Mittelalters durchweg kleine Badestuben waren. Es gab auch unter ihnen größere Gebäude mit einem großen Personalbestand. Diese Badeanstalten befanden sich meistens in den großen Städten nebeneinander in einer bestimmten Straße oder in der Nähe eines  Flusses bzw. Sees. Bevor der "Bader" das Bad eröffnete, trommelte er buchstäblich seine Gäste zusammen. Zunächst wurden Kinder und Jugendliche mit der Aufgabe betraut, trommelnd und lärmend durch die Gassen zu ziehen, um die Eröffnung des Bades kundzutun. Später wurden eigens zu diesem Zweck Posaunenbläser von der Stadt angestellt. Eine hilfreiche "Badmaid" empfing den Gast dann im Bad und sorgte für sein Wohl.

In den Bädern des Mittelalters spielte sich in hohem Maße das öffentliche und private Leben ab. Bäder waren einige der wenigen Orte, die jedermann von morgens bis abends zugänglich waren. Nicht selten sogar Tag und Nacht. Das ganze Mittelalter hindurch war es üblich, sich im Bad die Haare schneiden zu lassen, zu schröpfen, zur Ader zu lassen und zu epilieren. Ja, selbst kleinere Operationen wurden vorgenommen. Diese Dienstleistungen wurde von "Barbieren" wahrgenommen. Sie waren meistens im Bad angestellt und ihre Aufgabe war es, den kosmetischen Wünschen der Gäste nachzukommen. Sein Honorar erhielt der Barbier nicht von den  Gästen, sondern vom Badinhaber. Da die angewandten Mittel zur Haarentfernung oft zweifelhafter Herkunft waren, mitunter die Haut angriffen und häßliche Narben hinterließen, fanden diese dort praktizierten Methoden nicht die  ungeteilte Zustimmung der ansässigen Ärzte. Das heute bekannte "Henna" war damals schon Bestandteil verschiedener Rezepturen. Anwendung fand auch eingedickter Sirup mit Terpentinzusatz. Diese Masse wurde in der Hauptsache für das Entfernen kleiner Flaumhaare im Gesicht benutzt und um die Haare an den Beinen zu entfernen. Das Präparat wurde auf die besagten Stellen aufgetragen, getrocknet und dann nach einer gewissen Zeit weggerissen. In jedem Falle war diese Angelegenheit sehr schmerzhaft. Parallelen finden wir dazu in der heutigen Kosmetik auch noch. Auch Fußpflege mit allen Unannehmlichkeiten oblag dem Barbier. Damit sich der Gast von diesen, zum Teil  schmerzhaften Prozeduren erholen konnte, wurden zur Entspannung kleine Speisen gereicht.

 

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